Aus Leidenschaft erstklassig – der Aufstieg der Binder Blaubären TSV Flacht
Wenn sich im beschaulichen Flacht die Halle füllt, wird schnell klar: Hier wächst mehr als ein Volleyballteam – hier wächst ein Projekt, das mit lokalen Wurzeln und Visionen in der Spitze des deutschen Volleyballs nach oben strebt. Die Binder Blaubären TSV Flacht sind ab der kommenden Saison erstklassig. 1. Bundesliga – ein Sprung, der in der Welt des Leistungssports alles verändert und in Flacht trotzdem seinen ganz eigenen Klang hat. Denn es geht nicht um Millionenetats oder kurzfristige Startransfers, sondern um etwas Größeres: Gemeinschaft, Verantwortung und um Menschen, die mehr wollen.
Aufstieg mit Antrieb – kein Zufall
Was von außen aussieht wie ein Aufstieg aus der zweiten Reihe, ist in Wahrheit das Ergebnis eines konsequenten, nachhaltigen Aufbaus. „Wir haben schon vor langer Zeit angefangen, unsere Strukturen zu erschaffen", sagt Michael Kaiser, Manager des Vereins. „Nicht, weil wir die Geilsten sind, sondern weil wir Lust darauf haben.“ Und dieser Antrieb war immer spürbar – in jeder Abteilung, bei jedem Spiel, in jeder Entscheidung.
Der Weg führte von der Bezirksliga direkt über die 2. Bundesliga Pro und nun in die höchste deutsche Spielklasse. Möglich gemacht hat das kein Mäzen, es waren Menschen, die ihre Freizeit, Energie und Ideen eingebracht haben. „Was wir am besten können, ist, dass wir die Last auf ganz, ganz viele Schultern verteilt haben“, betont Sportdirektor Jan Lindenmair. Statt Einzelkämpfer-Mentalität setzt man auf kollektive Verantwortung: Heimspielkoordination, Catering, Courtmanagement – alles fest besetzt und doppelt abgesichert. Hier wird Ehrenamt gelebt und wie Profisport gedacht.
Die Geschlossenheit der Mannschaft spiegelt sich bei den Binder Blaubären TSV Flacht auch im Verein wider.
(Foto: Justus Stegemann)
Diese Geschlossenheit und die gewachsenen Strukturen in Flacht haben auch bei der Volleyball Bundesliga (VBL) eine positive Wirkung hinterlassen. „Die Leidenschaft und Professionalität, mit der in Flacht gearbeitet wird, haben uns beeindruckt“, so VBL-Geschäftsführerin Kim Oszvald-Renkema. „Der Verein hat bereits gezeigt, dass er Verantwortung übernehmen und den Standort kontinuierlich weiterentwickeln kann. Wir glauben, dass Flacht mit dieser Haltung nachhaltig wachsen wird und sich mittelfristig auch sportlich in der 1. Bundesliga etabliert.“
Kein Schnellschuss – sondern gezielte Entwicklung
Und die Mannschaft? Ein Konstrukt aus Talent, Geduld und Weiterentwicklung. Die erste Saison in der 2. Bundesliga Pro war holprig. „Wir waren ja ein komplett neues Team und neu zusammengewürfelt. Viele Spielerinnen haben noch nie auf diesem Niveau gespielt, das war eine Aufgabe, die wir erstmal bewältigen mussten und haben dann super viele Spiele in der Hinrunde verloren“, erinnert sich Außenangreiferin Julia Cedeño, ehemals Wenzel, die bereits Erstliga-Erfahrung vom VC Neuwied mit nach Flacht brachte. Der Verein wuchs mit der Aufgabe. Verletzungspech, zwei Kreuzbandrisse, viele neue Spielerinnen – all das wurde mit Pragmatismus und Ruhe aufgefangen.
Statt zu hadern, investierte man weiter: Sommertraining, punktuelle Verstärkungen, Zusammenhalt. Am Ende der zweiten Spielzeit in der zweithöchsten Spielklasse steht Platz sechs, ein sportlich starker Abschluss einer intensiven Saison. Es war klar: Wer dauerhaft bestehen will, braucht mehr als Technik. Er braucht Haltung.
Nico Reinecke wird zukünftig Cheftrainer Manuel Hartmann als Co-Trainer unterstützen. (Foto: Hannah Schmitz)
Ein Wechsel mit Weitblick
Diese Haltung zeigt sich auch in der Entscheidung von Trainer Nico Reinecke, künftig als Co-Trainer weiterzumachen und den Chefposten an Manuel Hartmann zu übergeben. „Ich arbeite neben dem Volleyball und als Trainer kann ich das auf Dauer nicht auffangen“, sagt Reinecke. Doch seine Beweggründe gehen tiefer: „Es geht ja hier auch nicht um mein Ego. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Wir wollen uns weiterentwickeln und da ist dieser Schritt notwendig.“
Mit Hartmann kommt ein erfahrener Trainer, der als Impulsgeber und Entwickler gilt. Er bringt Expertise aus dem Profi-Volleyball mit und gilt als Analytiker mit großem Fokus auf individuelle Entwicklung. Cedeño weiß die Arbeit mit Reinecke zu schätzen, blickt nun aber mit Vorfreude auf die neuen Impulse von außen: „Jeder Trainer hat seine Philosophie und seine Tipps und Tricks, was man mitnehmen kann. Ich bin gespannt, was ich jetzt von Manuel lernen kann.“ Reinecke bleibt dem Team als Co-Trainer erhalten – und als Teil jener Philosophie, die den Verein so besonders macht: Jeder darf sich entfalten. Jeder darf wachsen.
Spielerisch rechnen die Binder Blaubären TSV Flacht mit neuen Herausforderungen in der 1. Bundesliga.
(Foto: Hannah Schmitz)
Der Blick nach vorn – mit Mut, aber ohne Illusionen
Mit dem Aufstieg in die 1. Liga betreten die Binder Blaubären Neuland, gemeinsam mit den beiden anderen Aufsteigern aus Hamburg und Borken. Und auch wenn der sportliche Druck steigen wird, bleibt der Verein realistisch. „Wir wollen nicht von allen verhauen werden und mit null Sätzen rausgehen“, sagt Reinecke über die kommende Saison. „Aber am Ende wollen die Leute uns gewinnen sehen und auch nach dem dritten oder vierten Spiel das Gefühl haben, gerne zu kommen.“
Er weiß, die 1. Bundesliga wird ein harter Test. „Die Mentalität wird das Wichtigste. Wir müssen das als Prozess sehen. Wir werden viele Spiele verlieren, aber wir werden auch etwas gewinnen.“ Es geht um Entwicklung, sichtbar, spürbar, ehrlich. Reinecke bringt es auf den Punkt: „Verlieren ist nie toll. Aber jeder muss die Entwicklung sehen.“ Der Weg ist das Ziel. Der sportliche Klassenerhalt wäre ein Erfolg, langfristig wollen die Blaubären aber mehr. „Im dritten, vierten Jahr wollen wir mitspielen“, so Kaiser. Dafür braucht es Verstärkungen auf Schlüsselpositionen, ein stabiles finanzielles Fundament und weiter ein Umfeld, das die Vision teilt.
Punktuelle Verstärkungen sollen dabei helfen, gemeinsam als Mannschaft an das Niveau der 1. Bundesliga heranzuwachsen.
(Foto: Hannah Schmitz)
Flacht bleibt sich treu
Der Weg in die 1. Bundesliga bringt neue Anforderungen, auch abseits des Spielfelds. Zuschauerzahlen, Hallenkapazitäten, Medienarbeit und vor allem: Erwartungen. Doch in Flacht geht man diesen Weg mit Demut und man bleibt sich treu. „Wir lassen die Option offen, auch mal in einer größeren Halle zu spielen“, sagt Kaiser. „Wir sind mit der Gemeinde im Gespräch, ob wir unsere Zuschauerkapazitäten etwas erhöhen können. Aber wir haben lieber eine kleine volle Halle als eine große halbleere.“
Der Verein setzt auf Nachhaltigkeit, finanziell, strukturell, emotional. „Wir haben gesehen, dass andere Vereine schnell nach oben kamen und dann war das Licht aus“, sagt Kaiser. Diesen Fehler will man vermeiden. Lieber langsam wachsen, dafür gesund. Perspektivisch will man sich auf vier bis fünf Positionen verstärken, aber ohne den eigenen Weg zu verlieren.
Team und Verein freuen sich riesig auf das neue Kapitel, das in Flacht mit Mut und Nachhaltigkeit angegangen wird.
(Foto: Nils Wüchner)
Mehr als ein Verein
Spricht man mit den Verantwortlichen aus Flacht, bekommt man den Eindruck eines Vereins, der seinen eigenen Takt gefunden hat. Jan Lindenmair kam mit Erfahrung im Bereich Profi-Volleyball und Fußball nach Flacht, brachte Expertise mit und sagt dennoch: „Ich habe den Leuten hier einfach nur Impulse gegeben. Ich bin auf Menschen getroffen, die den unbändigen Willen hatten, etwas zu erreichen.“ Mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga beginnt für die Binder Blaubären TSV Flacht ein neues Kapitel. Doch eines bleibt gleich: Der Zusammenhalt. Und das Gefühl, dass Großes möglich ist, wenn man es gemeinsam anpackt. Dass es nicht reicht, einfach dabei zu sein. Man will etwas gestalten. Mit Mut. Mit Leidenschaft. Und mit einem Team, das größer ist als die Mannschaft allein.