Blaubären Flacht: 21 Minuten lang im falschen Film
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Der Volleyball-Zweitligist schlägt Kellerkind BBSC Berlin nach schaurigem Beginn doch noch souverän 3:1 – und eine Spielerin beweist sich als Prophetin.
Jürgen Kemmner | Leonberger Kreiszeitung vom 10.02.25
Die Freude nach 86 Spielminuten bei den Frauen des TSV Flacht und deren Anhang war ziemlich ausgelassen. Mit einem deutlichen und am Ende ungefährdeten 3:1 (16:25, 25:17, 25:19, 25:12) hatten die Blaubären ihren abstiegsgefährdeten Gegner von der Spree abgefertigt. „Die Revanche für die Niederlage im Hinspiel ist geglückt“, freute sich Trainer Nico Reinecke.
Die 433 Fans in der ausverkauften Heckengäusporthalle waren ebenso glücklich und auch ein Stück weit erleichtert – denn von 19 Uhr an erlebten sie für 21 Minuten ein Spiel, das sich wie ein falscher Film anfühlte. Als rechne man im Kino mit einer hinreißenden Liebeskomödie und bekommt einen schockierenden Horrorstreifen vorgeführt.
Im ersten Satz agierte das Team um Kapitänin Julia Cedeno nahezu durchweg wie ein Kind, das sich im Wald verlaufen hatte: hilflos, planlos. Bald stand es 1:9 und 6:17 – als mildernder Umstand galt: Der TSV hatte nur neun Spielerinnen, aufgrund zahlreicher krankheitsbedingter Ausfällen musste Reinecke kräftig umbauen. So spielte Leonie Büdenbender erstmals auf der Libero-Position, wo sie einige Anlaufzeit benötigte, um sich zurecht zu finden. Gegen Berlins wuchtige Außenangreiferin Jovana Dordevic waren die Blaubären so machtlos wie ein Kaninchen vor der Schlange. Ähnlich erging es den Fans, die zu starr vor Schreck waren, um das Team wie sonst lautstark anzufeuern.
Erst als der Durchgang schon verloren war, fand die Heimmannschaft allmählich ihre Linie, die sie in Satz zwei dann konsequent verfolgte. Nach und nach rissen die Blaubären das Kommando an sich, die Annahmen wurden besser, der Block hielt häufiger stand, die eigenen Angriffe liefen druckvoller ab – und die Berlinerinnen konnten sich nicht wirklich dagegen wehren. Die starke Marie-Christin Werner machte einen Knoten an Satz zwei mit drei Aufschlag-Assen in Folge zum 25:17. „Die haben gut geklappt heute“, sagte sie.
Zwar begann der dritte Part der Partie erneut holprig und bis zum 17:17 taten sich die TSV-Frauen schwer wie ein Steineklopfer, auch weil sie fünf Aufschläge ins Aus oder Netz setzten. Gegen Ende wurde es ein souverän aussehendes 25:19. Satz vier war ein fast schon entspanntes Schaulaufen für die Gastgeberinnen, Berlin konnte nichts mehr entgegensetzen. „Ich hatte in der Entwicklung des Spiels keine Bedenken, dass wir verlieren würden“, sagte Manager Michael Kaiser, und Trainer Reinecke meinte: „Wir sind nicht nervös geworden nach dem ersten Satz und haben danach die richtige Mischung aus Aggressivität und Geduld gefunden.“
Nicht wenige in der Halle waren überzeugt: Vergangene Saison hätte das Team ein solches Match wohl noch verloren – die Blaubären haben eine Entwicklung hinter sich, nicht nur auf der spielerischen Ebene. Auch mental. Das Team ist in sich gefestigt und besitzt ausreichend Selbstvertrauen, um Phasen zu überstehen, in denen wenig bis nichts funktioniert. „Wir sind stabiler geworden, wir haben immer an uns geglaubt“, betonte Marie-Christin Werner, die nicht nur wegen ihrer Aufschlagstärke zur wertvollsten Spielerin der Blaubären gewählt wurde.
Dass es so kommen würde, hatte sie irgendwie geahnt. „Mit Michael Kaiser treffe ich mich seit einigen Partien vor dem Spiel zum Power-Talking“, erzählte sie. Dabei diskutieren sie und der Manager über das Ergebnis und wer als „MVP“ gewählt wird. Diesmal sagten beiden den Sieg voraus und dass die 26-Jährige ausgezeichnet werden würde. „Nur beim Spiel gegen Vilsbiburg lagen wir beide daneben“, berichtete Kaiser. Es gibt noch Luft nach oben bei den Blaubären.